Die Schulchroniken von Merten und Waldorf gehören zu den ältesten und wertvollsten in der Stadt Bornheim. Ich haben beide bei meiner Pensionierung im Jahre 1991 dem Archiv der Stadt aus Sicherheitsgründen überlassen.

Hans Werner Mager,
ehemaliger Rektor der Hauptschule Merten.

Hier die Aufzeichnung des ersten Beitrages des damaligen Mertener Lehrers Demmer aus dem Jahre 1873:

Merten, am Vorgebirge, in der Bürgermeisterei Sechtem, Kreis Bonn gelegen, bildet mit dem Dorfe Trippelsdorf eine Gemeinde, die Gemeinde Merten, welche früher dem Churfürstenthum Coeln, dann der französischen Herrschaft zugehörte und später dem Königreich Preußen einverleibt wurde.

Das Volk besteht meistens aus Leuten, die von harter Arbeit ihr Brod essen müssen, eigentliche Wohlhabenheit ist hier vergebens zu suchen, nur Wenige kann man zu den Begüterten zählen, denen vor einem halben Jahrhundert so zu sagen, gar keine hier waren .Die hier gelegenen Ländereien wurden früher als Weinberge benutzt; waren aber nicht im Stande, die Bewohner zu ernähren weshalb man sie in Feld und namentlich in Gärten anschaffte: Ganz besondere Aufmerksamkeit schenkte man der Obstbaumzucht.

Da jedoch die Eisenbahn fehlte, so war der Transport der Produkte nach Coeln ein höchst beschwerlicher, entweder trugen die Frauenzimmer die Sachen auf dem Kopfe oder die Mannspersonen fuhren mit den sogenannten Schürreskarren. Der Erlös für die verkauften Produkte war sehr gering und es ist unbegreiflich, wie die Leute davon leben und es überhaupt haben aushalten können. Noch in der Nacht sammelten sich die Leute hinter Trippelsdorf an der Bonner Straße mit ihren Körben und Schürreskarren und zogen dann, einer Karawane gleich, auf Coeln zu.

Die Burschen trugen auch wohl ihren Mädchen den Korb ein Stück Weges. Munter und zuweilen mit Gesang wurde Lustig auf Coeln marschiert. Wohl auch kamen allerhand Ausgelassenheiten dabei vor, namentlich solche, die das Tageslicht nicht gut vertragen können und nichts weniger als zur guten Sitte gehören. Kam man am Nachmittag wieder, so wurde auch wieder für den folgenden Tag zurecht gemacht, und so ging es Tag auf Tag, sodaß es mir wie schon erwähnt, unbegreiflich ist, wie die Leute es bei der schlechten Lebensweise haben aushalten können.

Wie nach Coeln, so trug und schürgte man die Erzeugnisse auch nach dem 7 Stunden von hier entlegenen Düren, welches natürlich mit noch größeren Beschwerden verbunden war, die man aber gerne überwandt, indem dort die Sachen etwas besser bezahlt wurden .Durch die Eisenbahnanlage von Bonn nach Coeln wurde den Leuten hier eine unendliche Erleichterung verschafft. Undaß in Coeln die Bevölkerung wuchs, der Wohlstand sich hob, hob sich auch in Merten und Trippelsdorf noch mehr die Obstbaum- und Gemüsezucht sodaß jetzt das ganze Vorgebirge wie ein Obst- und Gemüsegarten aussieht, worauf die Leute umsomehr angewiesen sind, als hier kein anderer Broderwerb durch Fabriken und sonstige Anlagen ist. Ganz besondere Anerkennung verdient der große unendliche Fleiß und die Correktheit, womit die Leute arbeiten und pflanzen. Die Lebensweise des Volkes ist sehr einfach, ja schlecht; das Beste mussten sie verkaufen und das Schlechte selbst essen.

Um so besser, d.h. um so mehr wird aber getrunken und zwar --- Branntwein. Dieses giftige Getränk ist so vorherrschend, dass ohne Schnaps nichts, ja gar nichts konnte gethan werden ja nicht einmal die Toten begraben. Große Summen gaben Merten und Trippelsdorf, welche zusammen 1200 Seelen zählten, jährlich für Schnaps aus; nur gering angeschlagen jährlich zwischen 6000 – 9000 Mark. Erzählte mir doch ein Mann, der eine neue Scheune baute, wozu er 3 Zimmerleute 18 Tage hatte, dass diese in den 3 Wochen 7/8 Ohm (ca. 131 Liter / der Verfasser) Schnaps getrunken, unglaublich, aber wahr. Bei allen Gelegenheiten, kirchliche oder unkirchliche, Schnaps und immer Schnaps. Nie im Leben sah ich so viele Schnapsbesoffene über die Straße taumeln, wie hier. Das gewiß mehr zuträgliche Bier wird verhaltnismäßig wenig getrunken.

Aus dem Vorhergehenden auf den allgemeinen Volkscharakter zu schließen, ist nicht schwer, da der Schnaps bekanntlich gegen alle edlen Gefühle abstumpft. Wie in vielen Familien, so ist auch das öffentliche Leben hierselbst keineswegs erbaulich. Was wirklich schön und edel ist, findet hier keinen Anklang. Und trotz des vielen Umgangs mit Städten Bonn und Coeln ist die allgemeine Cultur noch ein halbes Jahrhundert gegen die der weit mehr abgeschlossenen Bergbewohner in der Provinz zurück. Was hier seit den Früheren Zeiten die Schule gethan oder nicht gethan, möchte ich lieber dahin gestellt sein lassen; die Schulbildung bei der jetzt noch lebenden Generation ist wenigstens eine äußerst mangelhafte, die Erziehung eine vielfach misslungene. Während in den anderen Gemeinden keine Personen mehr zu finden sind, die nicht lesen oder nicht schreiben können, kann Merten und Trippelsdorf deren noch genug aufweisen. Kein Wunder daher, dass hier kein Sinn für Schule und gute Erziehung herrscht.

Wie mir von alten Leuten mitgeteilt worden, wurde vor etwa 60 – 70 Jahren (ca. 1800) und auch noch später der Schulunterricht von dem hier sogenannten Offermann (Küster) ertheilt; ein eigenes Schulhaus existierte noch nicht. Später, vor 40 – 50 Jahren (ca. 1820) errichtete man ein Schulhaus und stellte einen eigenen Lehrer an, dem nach kurzer Zeit schon ein Hilfslehrer zugestellt werden musste, wodurch dann auch die Schulgebäulichkeiten mussten erweitert werden. Da die Gemeinde arm war und noch ist, so mussten die Kinder sehr viel zu ländlichen Arbeiten verwendet werden, was den Schulbesuch sehr beeinträchtigte; zudem wurden auch die Ferien in der Regel erweitert, was bei der früheren Schulaufsicht alles so durchging. Ebenso ging es durch, dass die Kinder erst mit 7 – 8 Jahren in die Schule eintraten und mit 12 Jahren schon entlassen wurden.

Nach Ausweis der Versäumnislisten war der Schulbesuch ein höchst unregelmäßiger. Der Verlust an tüchtiger Schulbildung ist dadurch ein enormer und unersetzlich. Es ist wirklich zum Erbarmen, wenn man die mangelhafte Elementarbildung der Leute sieht, die noch in den mittleren Jahren und darunter stehen. Unverzeihlich für die, welche die Schuld tragen, woran diese eigentlich liegt, darüber schweige ich. Soweit ich die Namen der Lehrer habe erfahren können, welche hier angestellt waren, hat „Fuhrmann" bis 1851 und Christian Schmitz bis Dezember 1872 hierselbst fungiert, außerdem als Präparanten an der Unterklasse Pfeiffer, Klemmer, Schmitz. Durch die Anstellung der Fräulein Breuer geboren zu Euskirchen wurde die Schule am 1. Mai 1858 nach den Geschlechtern getrennt und die seitherige 2-klassige in 2 einklassige Schulen getheilt.

Die Mädchenschule hob sich sichtlich mit der Anstellung der Frl. Breuer, welcher deshalb für Ihren Fleiß und Eifer von Seiten der Gemeinde alle Anerkennung gebührt. Nach dem Tode des Lehrers Schmitz im Dezember 1872 wurde die Knabenschule in welcher schon seit zwei Ostern wegen Mangel an Raum keine Aufnahme neuer Schüler stattgefunden, von dem Präparanten Stephan Wolff bis zum Amtsantritt des Lehrers Peter Demmer [...] verwaltet. Im Jahre 1872 endlich wurde die Gemeinde zum Neubau eines Schulhauses und zur Errichtung einer gemischten Unterklasse genöthigt [...]. Die neuerbaute Schule setzte man an einen in jeder Beziehung sehr unzweckmäßigen Platz, neben die Kirche; wie der Platz, so ist auch das Innere höchst unzweckmäßig.

Mit Erlaß der Ministerial-Verordnungen vom 13. Oktober begann auch für Merten eine neue Aera, in welche sich das Volk keineswegs so leicht hineinleben konnte. Der alte Schlendrian hörte mit einem Schlage auf .Die Kinder kamen zeitig mit 6 Jahren zur Schule bis zum zurückgelegten 14. Jahr. Stundenzahl und Ferien wurden pünktlich eingebalten und überhaupt eine strengere Schulzucht gehandhabt; nach dieser Seite hin sind die bezüglichen Verordnungen für die Gemeinde Merten segensreich zu nennen.

Merten, den 31. Dezember 1873
Demmer, Lehrer